Ein Kommentar zu einer gesellschaftspolitischen Entwicklung in Deutschland.
Facebook ist bunt. Eigentlich immer. Schließlich teilt täglich irgendjemand von meinen Facebook-Freunden ein Erlebnis, Urlaubs-, Hochzeits- oder Partybilder. Besonders fällt mir das auf, wenn ich nur Bücher und einen Schreibtisch vor mir sehe und der Urlaub eine gefühlte Ewigkeit entfernt ist.
Aber in den letzten Wochen ist Facebook noch ein wenig bunter geworden. Viele Nutzer_innen legten Ende Juni über ihr Profilbild einen Filter mit der Regenbogenflagge, einem Symbol der homosexuellen Emanzipationsbewegung. Mittlerweile müssten die meisten Nutzer_innen von Facebook auch wissen warum:
Der Oberste Gerichtshof der USA urteilte kurz davor, dass kein US-Bundestaat die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mehr verbieten darf, da seit 2013 die gleichgeschlechtliche Ehe auf Bundesebene erlaubt ist. Das Beeindruckende daran ist, dass der Oberste Gerichtshof als mehrheitlich konservativ gilt. Und so wurden aus großer Freude über dieses epochale Urteil die Profilbilder bunter, dank Regenbogenflagge.
Was ein konservatives Gericht in den USA und eine konservativ geprägte Gesellschaft in Irland können, müssten wir doch auch können? Schon, wenn man uns lassen würde.
Obwohl nach zahlreichen Umfragen z.B. des ZDF-Politbarometer zwei Drittel der Deutschen und 55 % der Unionsanhänger (Wähler_innen von CDU und CSU) für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sind, tritt unsere gesellschaftspolitische Entwicklung hierbei auf der Stelle. Verantwortlich dafür ist der schwarz-rot dominierte Bundestag.
Gut, ein paar wenige Rechte von den Ungleichbehandlungen in ca. 150 Gesetzen wurden durch die Bundesregierung angeglichen, nur warum kleine Schritte nehmen, wenn ein großer Schritt ausreichen würde? Es würde uns allen Kraft, Zeit und Geld sparen, wenn sich die Bundesregierung nicht mit jeder kleinen Änderung aufhalten würde oder das Bundesverfassungsgericht von den Bürger_innen hinzugezogen werden müsste, um ihre Rechte durchzusetzen.
Das Schlimmste für mich ist, dass die Haltung zur Öffnung der Ehe als Meinung betitelt wird, obwohl sie keine ist. Es geht hier um Grundrechte aller Bürger_innen! Die können auch nicht mittels vermeintlich theologischer Argumentation ausgehebelt werden. Zumal die Ehe zwar als göttliche Stiftung, aber zeitgleich auch als weltlich Ding von Martin Luther charakterisiert wird. Demnach für uns Protestant_innen vor allem in den Zuständigkeitsbereich des Staates fallen sollte.
Homosexualität ist keine Meinung, die man ändern kann. Das wäre genauso, als würde man blonde Menschen von der Ehe ausschließen, aus welchem Grund auch immer. Eine Ungleichbehandlung würden hier auch alle für absurd halten. Der ungleiche Umgang mit Schwulen und Lesben widerspricht darüber hinaus dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz, das in Artikel 3 unseres Grundgesetzes ziemlich deutlich und mit kaum Raum für Interpretation festgeschrieben ist.
Es ist für mich wenig konservativ, Menschen von der Ehe auszuschließen, nur weil sie schwul oder lesbisch sind. Ich erinnere mich lebhaft an Debatten über den Sinn von Ehen in der modernen Gesellschaft. Da muss doch das konservative Herz höher springen, wenn nun auch Schwule und Lesben heiraten wollen. Etwas Konservativeres kann ein gleichgeschlechtliches Paar doch gar nicht machen!
Echte Argumente der Gegner (in erster Linie vieler alter Männer) höre ich nur leider sehr selten. Wenn, dann sind es vielmehr Vorurteile oder Klischees gegenüber Schwulen und Lesben oder das „Es war schon immer so“-Argument. Auf so ein Argument reagiere ich als Mensch, der aus der evangelischen Jugendarbeit kommt, mittlerweile sehr allergisch.
Wie dem auch sei. Bei uns wird es jetzt so richtig bunt! Davon bin ich überzeugt! Ob nun eine Entscheidung des Bundestages, frei von Fraktionsdisziplin, oder ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Die Gleichstellung homosexueller mit heterosexuellen Partnerschaften wird kommen. Punkt. Und die Welt wird nicht untergehen.
Und so warte ich geduldig, bis ich auch mein Profilbild endlich guten Gewissens bunt machen kann.