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Moment mal: Die Kanzelparagraphen der Union

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Letzte Woche trat der Fraktionsvorsitzende der Unionsparteien im Deutschen Bundestag, Volker Kauder, mit der Forderung an die Öffentlichkeit, der Staat müsse kontrollieren, was in den Moscheen des Landes gepredigt würde. Zu seinen Einlassungen genötigt sah Kauder sich wohl von den Kollegen der CSU, die forderten, dass in den Moscheen nur auf Deutsch gepredigt werden darf und die Finanzierung vieler Moscheegemeinden aus dem Ausland zu verbieten.

Das waren vor ein paar Wochen noch Forderungen der AfD, die sich Unionspolitiker da zu eigen gemacht haben. Die Union will sich ein Stückchen vom Kuchen der Ressentiment-Wähler abschneiden. Das wird scheitern, wie die Landtagswahlen im März eindrücklich gezeigt haben. Gewählt wird das „Original“, nicht die opportunistische Kopie.

Originell ist gleichwohl nichts am anti-muslimischen Ressentiment, das sich hier in Gesetzesforderungen ergießt — es ist im eigentlichen Sinne ordinär. Das wird umso deutlicher, wenn man statt von Moschee und Minbar, einmal von Kirche und Kanzel oder gar von Synagoge und Bima spricht.

Der Ruf nach einem irgendwie gearteten „Islamgesetz“ geht nämlich stillschweigend davon aus, dass für den Islam andere Regeln gelten sollten als für andere Religionsgemeinschaften. Kauder, der seine Forderung u.a. damit begründete, in Deutschland stünde der Staat über der Religion, müsste hier von seiner eigenen Argumentation einen gehörigen Drehwurm verpasst bekommen. Artikel 3 unseres Grundgesetzes: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ — das gilt selbstredend für alle unabhängig von ihrer jeweiligen Religionszugehörigkeit. Nicht nur daraus (GG Art. 4!) ergibt sich ein Gleichbehandlungsgrundsatz des Rechtes gegenüber allen Religionen in Deutschland.

Die Forderung, es bedürfe ausgerechnet für den Islam gesonderter Regeln, ist pures Vorurteil. Es gelten in Deutschland — auch auf Manabir, Kanzeln und Bimot — reichlich gesetzliche Schranken, für das, was gesagt werden darf und was nicht — gerade eben haben wir wochenlang darüber diskutiert, dass es wahrscheinlich eher zu viele Einschränkungen gibt. Wer von den Redepulten des Landes Volksverhetzung betreibt, der kann auch jetzt schon dafür belangt werden. Es bedarf keiner weitergehenden Kanzelparagraphen, sie sind eines freiheitlichen demokratischen Landes unwürdig.

Dass die Forderungen aus der Union reiner Populismus sind — ein Hinterherhecheln durch die Schneise der diskursiven Verheerung, die die AfD diesem Land antut — wird umso auffälliger, wenn man einmal nach der praktischen Ausübung eines solchen neuen Kanzelparagraphen fragt: Will Kauder ernstlich Spitzel in die Gotteshäuser des Landes schicken?

Was in der Union scheinbar von der Religionsfreiheit als Grundrecht gehalten wird, muss entsetzen. Es zeigt auch, wie wenig Respekt man der Geschichte und der eigenen religiösen Tradition noch entgegen bringt.

Statt unsinnige und gefährliche Forderungen in die Luft zu pusten, könnten Kauder und die Union ja dort, wo sie in Exekutivverantwortung stehen, tatsächliche und offensichtliche Volksverhetzung zügig und gründlich verfolgen. Die Kanzeln der Hassprediger aber finden sich auf den Marktplätzen des Landes und die Polizei ist auch schon da. Man muss nur noch gründlich zuhören.


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